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IDIOME – Neue Prosa im Netz | Florian Neuner

Tag: Elisabeth Wandeler-Deck

Bücher des Jahres (IV): Elisabeth Wandeler-Deck

9783905846362

Das neue Buch der Schweizer Sprachkünstlerin Elisabeth Wandeler-Deck, die mit einem Werkstattgespräch und zwei Prosatexten im Mittelpunkt der 8. Ausgabe der IDIOME steht, trägt den geheimnisvollen Titel Das Heimweh der Meeresschildkröten – die Autorin zögerte, wie sie selbst berichtet, und fand ihn dann doch unausweichlich. Wandeler-Decks autoreflexive Prosa überläßt sich durchaus der Eigenbewegung der Sprache. Und dennoch gibt es auch immer so etwas wie einen Widerpart zu diesem sprachimmanenten Ansatz, den man vielleicht als thematisch oder inhaltlich bezeichnen könnte – eine Fragestellung von außerhalb der Literatur, so etwas wie ein Forschungsinteresse. Im Falle ihres neuen Prosabandes standen ein Aufenthalt im niederösterreichischen Krems und ein daraus resultierendes Interesse am Donauraum ebenso Pate wie eine Oper von Annette Schmucki, der Widmungsträgerin des Buches, durch die Wandeler-Decks Leidenschaft für die Figur der Diva geweckt wurde. In den IDIOMEN Nr. 6 bereits konnten Leser Eindrücke von diesem »Donau-Diven-Projekt« gewinnen, aus dem 2015 ein Buch wurde. Zu ihrer Arbeitsweise sagte Elisabeth Wandeler-Deck im Werkstattgespräch:

Für die letzten zwei oder drei Prosabände habe ich Alphabete als Notizdateien angelegt. Ich verwende sehr verschieden geartete Notizdateien. Beim letzten Prosaband, beim vorletzten auch, habe ich Alphabete gemacht, Stichworte, wie wenn’s für ein Lexikon wäre – Wortmaterial, Satzmaterial, Wortfragmente, ganze Textversuche, aber auch Lexikalisches. Und das ergibt dann auch so ein Hin und Her am Text, der dann Text für das Buch wird oder für den kleineren Text, der sonstwo publiziert wird. Dieses Weitertreiben der Notizdatei – das werden eigentlich auch eigene literarische Formen , die ich einfach nie bis zur Publikationsreife weitergetrieben habe … Ansätze oder Anfänge, und bei den »Diven« sind das Stimme und Körper oder auch Sätze von Diven oder Donau-Sätze, weil die Donau vorkommt, ganz andere Arten von Stichwörtern. Vielleicht ist es bei der improvisierten Musik ähnlich.

IDIOME in Zürich

In der Reihe „Teppich: offen“, die augenblicklich am Theater Neumarkt in Zürich stattfindet, hatte ich vor einer Woche die Gelegenheit, gemeinsam mit den Schweizer Autorinnen Annette Hug und Elisabeth Wandeler-Deck die IDIOME vorzustellen. Das war im Grunde überfällig, richten die „Hefte für Neue Prosa“ ihren Blick doch immer schon auf den gesamten deutschsprachigen Raum. Elisabeth Wandeler-Deck war bereits im 1. Heft vertreten, wo sie auf die von Lisa Spalt und mir veranstaltete Umfrage „Prosa ist …“ reagierte:

Prosa ist. Das kann behauptet werden. Das wurde behauptet. Plötzlich war sie da, kurz und gut, man hat sie gemacht. Wie schön. Prosa, ja, sie, sie, behauptet sich durch dick und auch durch ein schütteres Gebüsch, da ist alles möglich. Gemacht hat sie sich über die Zeit hinweg, die eine Zeit begründete und andere Zeiten gab es und daher wechselhaftes Wetter. Prosa ist eine Freundschaft von Satz zu Satz bei drückendes Hitze. Unklare Ausgangslage. (…)

In der aktuellen IDIOME-Ausgabe ist Wandeler-Deck mit dem Text „Haben Sie auch schon Schokolade geträumt?“ vertreten. Annette Hugs Auftritt in Zürich war ein Ausblick in die Zukunft der IDIOME. Sie las aus einem Text, der in Heft 5 nachzulesen sein wird. Ich leitete die Veranstaltung mit einer Lesung von Dieter Roths „Prosa“ ein, abgedruckt in Heft 2. Annette Hug und Elisabeth Wandeler-Deck zählen zu den Autorinnen und Autoren, die sich im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Teppich“ in Zürich zu öffentlichen Arbeitsgesprächen über unveröffentlichte Texte treffen.

Florian Neuner liest „Prosa“ von Dieter Roth:

 

Elisabeth Wandeler-Deck liest aus: „Haben Sie auch schon Schokolade geträumt?“:

 

Annette Hug liest aus: „Institution“: